Viele Dinge verändern sich im Laufe der Jahre. So auch unser Reiseverhalten und unsere Reiseplanung. Früher bin ich fast nie losgefahren, ohne vorher
in einem Reiseführer zu schmökern. Ich wusste, dass die Mauren das Bild der Algarve geprägt haben, bevor ich in den Flieger nach Faro stieg. Und mir waren auch die Straßen
mit den hippen Interior-Läden bekannt, die uns der Taxifahrer auf der kurzen Fahrt vom Kopenhagener Flughafen in die Innenstadt empfahl.
Rückblickend betrachtet dienten die meisten Reiseführer aber eher der Steigerung der Vorfreude. Nur ein einziges Mal haben wir zum Beispiel auf eine Restaurantempfehlung
zurückgegriffen. In Stockholm. Wir warteten eine Dreiviertelstunde vor Ort auf einen Tisch in diesem kleinen Laden und es waren die teuersten Köttbullar, die ich in meinem
bisherigen Leben gegessen habe. Aber zugegebenermaßen auch die Besten.
Irgendwann wurden die Reiseführer dann abgelöst von Empfehlungen aus dem Netz. Was teilweise recht abenteuerliche Ausflüge mit sich brachte. So denke ich zum
Beispiel bis heute mit einem leichten Schaudern an diesen Vormittag in New York zurück. Wir entfernten uns immer weiter vom Zentrum Manhattans auf der Suche nach einem
angeblich sehr hippen Sneaker Shop. Ich war mir sicher, dass wir auf der falschen Fährte waren, denn die Straßen lagen wie verlassen vor uns. Die Fenster der Läden links
und rechts waren mit graffitiverschmierten Holzbrettern vernagelt und weil ich irgendwann fürchtete, dass uns an der nächsten Straßenecke jemand überfallen
könnte, liefen wir schließlich mitten auf der Straße. „Diesen Laden gibt es doch bestimmt nicht mehr“, schimpfte ich vor mich hin, wurde aber von Herrn Kuhlmann gnadenlos
weitergezogen.
Und dann standen wir plötzlich vor dieser unscheinbaren Tür. „Please ring bell“, stand auf dem Schild neben einem Klingelknopf. Jetzt waren wir so weit gelaufen,
da hatten wir nichts mehr zu verlieren. Also klingelten wir. Ein Türsteher im schwarzen Anzug steckte seinen Kopf zur Tür heraus, musterte uns von Kopf bis Fuß und ließ uns
schließlich ein. In ein Geschäft, dass das Herz eines jeden Sneakers-Liebhabers höher schlagen lässt. Mitten in dieser verlassenen Gegend. Es war ähnlich wie mit den
Köttbullar. Der Griff ins Portemonnaie schmerzte, aber die Schuhe waren wirklich außergewöhnlich.
Seit einigen Jahren nun verlasse ich mich am liebsten auf eine Mischung aus einer intensiven Internetrecherche, meinem persönlichen Bauchgefühl und den Empfehlungen von Locals. Sonst wären wir für einen Arbeitstrip im Sommer 2017 sicherlich nicht in Porto gelandet. Wo wir nicht in der knallvollen Altstadt, sondern in Foz do Douro wohnten. In einem wunderhübsch sanierten Altbau, direkt am Atlantik. Und wir wären bestimmt auch nicht in dem versteckten Restaurant von Senhor António gelandet. Das war so gar nicht instagrammable und niemand sprach auch nur ein einziges Wort Englisch. Aber dafür bekamen wir authentisches portugiesisches Essen auf den Teller, das wirklich unfassbar lecker schmeckte. Und am Ende dieses sehr besonderen Abends saßen wir noch mit einem Glas Wein im Fenster unseres Apartments und lauschten dem Rauschen des Atlantiks. Ganz ohne die Hilfe eines Reiseführers.
Die schlummern nun in einer Schublade im Wohnzimmer und ich bringe ich es noch nicht übers Herz, diese stummen Zeitzeugen meiner Reiselust ins Altpapier zu befördern. Aber irgendwann wird dieser Tag kommen. Denn die Erinnerungen, die wir unterwegs gesammelt haben, lassen sich nur mit dem Herzen wirklich festhalten.