Der Tisch ist festlich geschmückt, die Tanne hat ein Gardemaß, die Kinder tragen endlich einmal Kleidung ohne Gras- oder Matschflecken. Und wenn es dann auch noch schneit, dann, ja dann ist alles perfekt. Oft sieht die Realität an den Weihnachtstagen jedoch ganz anders aus. Tante Gisela und Onkel Klaus haben sich noch nie gut verstanden und geraten sich bereits beim Hauptgang in die Haare. Der zäh geratene Braten macht die Sache nicht besser und wenn die lieben Kleinen dann noch das Gesicht vor Enttäuschung verziehen, weil nicht alle Gegenstände von der Wunschliste unter dem Weihnachtsbaum liegen, dann dauert es nicht mehr lange und es knallt.
Das ist nicht weiter verwunderlich. Denn in vielen Familien ist Weihnachten die einzige Gelegenheit im Jahr, zu der alle Familienmitglieder zusammenkommen. Gemeinsam mit allen Konflikten, die sich das Jahr über angehäuft haben. Dazu kommen die Erwartungen. Die meist zu hohen Erwartungen, die in vielen Fällen enttäuscht werden. Dabei kann es auch anders laufen. Wenn man nicht alle alten Rituale kopflos weiterführt, sondern von Zeit zu Zeit einmal hinterfragt, ob sie noch zu den eigenen Bedürfnissen passen.
Herr K. und ich haben Weihnachten zum Beispiel schon häufig im Süden verbracht. Wir waren im Meer schwimmen, haben Wanderungen gemacht, von denen wir zwischendurch berechtigterweise fürchteten, sie nicht zu überleben und haben uns einfach locker gemacht. Es waren fantastische Weihnachtsfeste. Und wenn wir, so wie in diesem Jahr, die Feiertage einmal Zuhause verbringen, gibt es im Hause Kuhlmann keinen Weihnachtsbaum mehr. Herr K. war immer wahnsinnig genervt wegen der ätzenden Lichterketten und ich bin dutzende Male nur knapp einer Kollision mit dem Weihnachtsbaum entgangen, weil ich frühmorgens im Halbschlaf schlichtweg vergessen hatte, dass da ein Baum mitten im Durchgang zwischen der Küche und der Essecke stand. Abgesehen davon, begann das Ding immer recht schnell zu müffeln, sodass wir so manches Mal schon vor dem 6. Januar den schwedischen Knut gemacht und den Baum auf die Straße befördert haben. Seitdem gehen wir in den Wald, wenn wir Bäume sehen wollen.
Es lohnt sich also, die Abläufe immer mal wieder zu überdenken und ehrlich über die Wünsche aller Beteiligten zu sprechen. Muss man wirklich ein halbes Dutzend Sorten Plätzchen backen, obwohl man sonst mit Backen überhaupt nichts am Hut hat? Und wieso fällt eigentlich so häufig der Satz „Wir müssen uns vor Weihnachten unbedingt noch einmal treffen“? Wo einem doch der Chef im Nacken sitzt, weil ein bestimmtes Projekt unbedingt noch in diesem Jahr fertig werden muss. Vielleicht lohnt es sich ja, Weihnachten im ganz kleinen Kreis zu feiern und all diejenigen, die man sonst noch liebt, zu einem Sommerfest im Garten einzuladen. Dann muss auch niemand bei Schneeregen durch die halbe Republik rauschen, die Kinder haben ausreichend Platz zum Toben und Tante Gisela und Onkel Klaus können sich besser aus dem Weg gehen. Und wenn das große Familientreffen doch an Weihnachten stattfinden soll, tun es möglicherweise Kartoffelsalat und Würstchen genauso wie die Gans in den Vorjahren. Die den meisten insgeheim immer zu fettig war.
In diesem Sinne wünsche ich Euch ein schönes und harmonisches Weihnachtsfest, das genauso ausfällt, wie Ihr es Euch vorstellt. Ob nun mit Gans oder ohne, ob im Bikini oder vor dem Kamin. Lasst es Euch gutgehen.